Augenblicksversagen

Von Marie 29 März, 2023
4 minutes
Augenblicksversagen

Augenblicksversagen ist ein Begriff aus der Rechtswissenschaft. Was er bedeutet und welche Auswirkungen er bei einem Unfall für dich haben kann, sagen wir dir hier. Du würdest dich selbst bestimmt als aufmerksame:n Fahrer:in bezeichnen, oder? Du fährst vorausschauend und achtest auf das Geschehen links und rechts von dir. Der regelmäßige Blick in den Rückspiegel ist eine Selbstverständlichkeit für dich. Dennoch kann es passieren, dass du für einen winzigen Moment abgelenkt bist, etwas nicht hast kommen sehen. Und schon baust du beispielsweise einen Auffahrunfall. Dann fragst du dich, wie das nur passieren konnte. Und schon lohnt es sich, dass wir „Augenblicksversagen“ näher unter die Lupe nehmen.

Definition: Augenblicksversagen

Der Begriff umschreibt den Augenblick, in dem du für einen Moment nicht bei der Sache bist – sprich, nicht konzentriert. Manchmal handelt es sich nur um Sekunden, die zu einem Verkehrsvergehen führen. Bedenke, dass das Augenblicksversagen nichts mit einem Sekundenschlaf zu tun hat.

Beispiel 1: Du suchst in einer fremden Stadt eine bestimmte Straße und übersiehst dabei ein Schild, das ein Tempolimit anzeigt. Außer diesem Schild spricht nichts dafür, dass du deine Geschwindigkeit stark drosseln müsstest. Also keine Spielstraße, keine enge Kurve oder Ortseingang. Nichtsahnend fährst du schneller als erlaubt und wirst geblitzt.

Beispiel 2: Im Stadtverkehr bedrängt dich ein:e andere:r Fahrer:in von hinten mit der Lichthupe. Du wirst vielleicht ein bisschen nervös, schaust in den Rückspiegel. Genau in diesem Moment springt die Ampel vor dir auf Rot. Du überfährst sie trotzdem und wirst dabei erwischt.

In diesen Fällen droht dir nicht nun ein gehöriges Bußgeld, möglicherweise sogar ein Fahrverbot.

Aber: Der Bundesgerichtshof legt fest, dass ein Fahrverbot nur gerechtfertigt ist, wenn der Fahrer:in besonders verantwortungslos handelt. Bei einem Augenblicksversagen ist das jedoch nicht unbedingt der Fall. (BGH, Urteil vom 11.9.1997, 4 StR 638/96).

Passiert dir also so etwas in der Art, darfst du dafür nicht mit gleich harten Sanktionen belegt werden. So wie es zum Beispiel für schwere Verkehrsverstöße der Fall ist. Jedenfalls dann nicht, wenn tatsächlich ein Augenblicksversagen vorliegt. Dann zählt das Vergehen nur als einfache Fahrlässigkeit.

Das Gericht oder die Bußgeldstelle müssen nicht grundsätzlich prüfen, ob ein Augenblicksversagen vorliegt. Die Möglichkeit dazu besteht dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für ein Augenblicksversagen gibt. Berufst du dich auf der Anklagebank auf ein Augenblicksversagen, muss die entsprechende Stelle diesem Fall dann nachgehen.

Achtung: Willst du dich auf das Augenblicksversagen berufen, musst du eine entsprechende Stellungnahme schon beim Amtsgericht vorlegen. Wartest du damit, bis dein Fall vor einem Oberlandesgericht (OLG) zur Verhandlung kommt, ist es zu spät.

 

Unsere umfassende Autoversicherung bietet dir Schutz und finanzielle Sicherheit – auch bei Augenblicksversagen. Denn sie deckt unter Umständen Schäden an deinem eigenen Fahrzeug und an Dritten ab, unabhängig der Schuldfrage.

Unfall durch Augenblicksversagen: Wer zahlt?

Damit du harte Strafen wegen eines Verkehrsvergehens vermeiden kannst, ist die Anerkennung des Augenblicksversagens von großer Bedeutung. Auch im Falle eines selbstverschuldeten Unfalls kann dir ein Augenblicksversagen nochmal den Kopf retten – wenn es vor Gericht anerkannt wird.

Versicherungen weigern sich nämlich oft, bei einem Unfall durch Unaufmerksamkeit zu zahlen. Lässt sich dir als Unfallverursacher:in auch noch eine Fahrlässigkeit nachweisen, stehen deine Chancen besonders schlecht.

Bestätigt dir aber ein Gericht, dass es sich um ein typisches Augenblicksversagen handelt, muss die Kfz-Haftpflichtversicherung dir den vollen Versicherungsschutz geben.

Augenblicksversagen

Lohnt sich ein Einspruch?

Der Einspruch gegen eine Geldbuße oder sogar gegen den Führerscheinentzug kann sich für dich lohnen. Aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Wichtig ist, dass du glaubhaft nachweist, dass äußere Faktoren an der Verletzung deiner Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr Schuld tragen. Sagst du, dass du nur kurz mal unachtsam warst, reicht das nicht als Erklärung. Dazu zählt auch beispielsweise eine Diskussion mit dem/der Beifahrer:in, die zur Ablenkung führt.

Damit dein Einspruch Erfolg hat, darfst du über einen längeren Zeitraum nicht gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Nehmen wir zum Beispiel an, du fährst im Straßenverkehr, ohne den Mindestabstand einzuhalten. Und das über einen längeren Zeitraum. Sprich hinter einem Auto für eine lange Zeitspanne. Dann kannst du dich nicht auf ein Augenblicksversagen berufen, weil du ja schon längst wieder hättest aufmerksam sein müssen.

Selbstverständlich kannst du dich auch nicht auf ein Augenblicksversagen berufen, wenn du im Straßenverkehr grob fahrlässig handelst. Dazu gehört beispielsweise, wenn du dein Handy am Steuer benutzt. Bei Fahrlässigkeit ist der Unterschied, dass du leichtsinnig deine gebotene Sorgfaltspflicht missachtest. In diesem Fall nimmst du eine mögliche Fehlhandlung billigend in Kauf.

In diesen Fällen könntest du mit einem Einspruch gegen eine Strafe durchkommen:

  • Du fährst innerorts zu schnell, das Ortseingangsschild war aber nicht korrekt aufgestellt.
  • Nachdem du mehrere Minuten vor einer roten Ampel wartest, fährst du los. Du gehst davon aus, dass die Ampel defekt ist.
  • Erschrocken merkst du, dass du einen Fehler machst. Du hältst dein Fahrzeug sofort an, ohne den Verkehr zu behindern.
  • Glatteis macht es schwierig, gefahrlos anzuhalten, der Bremsweg wäre zu lang. Deswegen fährst du über die Ampel, obwohl du vorher genau beobachtet hast, dass sie rot ist.

Der Einspruch gegen eine Strafe lohnt sich nicht, wenn du beispielsweise:

  • Innerorts die zulässige Geschwindigkeit überschreitest und du in der Nähe wohnst. Denn das heißt, dass du die Strecke regelmäßig fährst und kennst.
  • Auf einer Landstraße das Verkehrszeichen für eine Geschwindigkeitsbegrenzung im Bereich einer Straßeneinmündung übersiehst und zu schnell fährst. Allein die einmündende Straße hätte dich schließlich aufmerksam werden lassen müssen.
  • Nachts zu schnell innerhalb einer geschlossenen Ortschaft fährst und dich darauf berufst, das Ortseingangsschild nicht gesehen zu haben. Schon anhand der Straßenbeleuchtung hättest du erkennen können, wo du unterwegs bist.

Diese Beiträge könnten auch interessant für dich sein:

Bildnachweise:
Headerbild: ©AdobeStock_329416634 ; Vahe
Bild 1: ©AdobeStock_203312613 ; Wellnhofer Designs

background image

Aktuelle Updates erhalten

    Table of contents

      Lesen Sie auch

      a-b-verstoß
      Von Linda 22 April, 2024

      A- & B-Verstoß