Tempolimit ja oder nein: Alle Fakten
Die Einführung eines generellen Tempolimits auf deutschen Straßen ist ein heiß diskutierter Punkt – und das bereits seit Jahren! Viele wichtige Argumente sprechen für die Begrenzung, während sich andere Annahmen zu ihrem Effekt nicht bestätigen lassen.
Die Frage “was bringt ein Tempolimit” lässt sich nicht eindeutig beantworten. Ebenso wenig, welche Höhe auf welchen Straßen sinnvoll ist und ob ein Tempolimit auf Autobahnen unsere Sicherheit erhöht. Wir haben hier alle Fakten zum Thema Tempolimit für dich zusammengetragen, damit du dir selbst ein Bild machen kannst:
Tempolimit: Wo und warum sollte es eines geben?
Kaum ein Thema hat unsere Verkehrspolitik in den letzten Jahren so intensiv beschäftigt wie die Einführung eines allgemeinen Tempolimits. Die Debatte wird sehr emotional geführt, da ein Tempolimit viele Bereiche unseres Lebens berührt.
Es ist ein Sinnbild für unseren Umgang mit der Klimakatastrophe. Es hat Auswirkungen auf unsere Sicherheit im Straßenverkehr und könnte den Verkehrsfluss und unsere Fortbewegungsgeschwindigkeit beeinflussen. In erster Linie ist es allerdings eine politische Entscheidung, bei der beide Seiten ideologische Standpunkte verbissen verteidigen.
Fakt ist: Die Mehrheit der Deutschen ist für ein allgemeines Tempolimit auf der Autobahn. Konkret ergab eine Umfrage unter erwachsenen Bundesbürger:innen im April 2022, dass 57 Prozent ein Tempolimit von 130 km/h begrüßen würden. 33 Prozent der befragten Personen sind gegen ein Tempolimit.
Dabei muss man das Thema Tempolimit differenziert betrachten. Denn die Auswirkungen hängen maßgeblich von den Details eines solchen Gesetzes ab. Die Mehrzahl der deutschen Straßen ist bereits mit einem Tempolimit versehen. Eine weitere Einschränkung hätte dementsprechend unterschiedliche Effekte.
Tempolimit auf Autobahnen
Auf Autobahnen in Deutschland herrscht aktuell noch kein allgemeines, maximales Tempolimit. Ein Minimum von 60 km/h sorgt jedoch dafür, dass langsame Fahrzeuge unsere Autobahnen nicht nutzen können.
Laut Angaben des ADAC sind derzeit knapp 30 Prozent des deutschen Autobahnnetzes geschwindigkeitsbegrenzt. Dazu zählen dauerhaft angebrachte Schilder, die zum Beispiel an gefährlichen Abschnitten die Geschwindigkeit reduzieren. Dazu kommen digitale Anzeigen, die sich je nach Wetter- und Verkehrslage einsetzen lassen. Vorübergehende Tempolimits im Rahmen von Baustellen sind hier noch nicht mit einberechnet.
Autofahrende können aktuell etwa 70 Prozent der Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung befahren. Expert:innen und die Mehrheit der Bevölkerung wünschen jedoch ein Tempolimit von 130 km/h. Auch Pläne für ein Tempolimit von 120 km/h oder sogar für 100 km/h kursieren seit langem.
Tempolimit auf der Landstraße
Bundesstraßen sind besonders gefährlich: Die Anzahl der Verkehrstoten ist auf unseren Landstraßen deutlich höher als zum Beispiel auf der Autobahn. Pro einer Milliarde Verkehrskilometer sterben auf Autobahnen 1,5 Menschen – das macht sie zur sichersten Straßenkategorie in Deutschland. Auf Bundesstraßen außerorts verlieren bei ebenfalls einer Milliarde gefahrener Kilometer hingegen 5,3 Menschen ihr Leben.
Die Ursachen für diese erschreckend hohe Zahl sind vielfältig. Ein Tempolimit auf 80 km/h außerorts könnte zweifellos einen positiven Beitrag zur Sicherheit unserer Landstraßen leisten. Und so zum Vermeiden von Todesfällen beitragen. Eine solche Reduktion nehmen die meisten Autofahrenden jedoch als erheblichen Eingriff in das persönliche Fahrverhalten wahr. Und zwar noch deutlich stärker als eventuelle Tempolimits auf der Autobahn. Das könnte möglicherweise daran liegen, dass Geschwindigkeiten um die 100 km/h vergleichsweise oft auf Landstraßen erreicht werden. Dahingegen sind nur wenige Autofahrende regelmäßig mit Geschwindigkeiten über 130 km/h auf der Autobahn unterwegs.
Ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen hätte ebenfalls einen positiven Einfluss auf den CO₂-Ausstoß: Etwa eine Million Tonnen Kohlendioxid würde pro Jahr weniger freigesetzt – so das Umweltbundesamt. Diese Mengen scheinen im Gesamtkontext der weltweiten Produktion sehr gering. Da Deutschland jedoch sämtliche Klimaziele verfehlen wird und bereits heute Folgen durch den Klimawandel bemerkbar sind, zählt jede Tonne.
Experten geben außerdem zu bedenken, dass ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen die Lärmbelästigung erheblich reduzieren kann. Und auch die Tierwelt profitiert – von einer verringerten Gefahr für Wildunfälle.
Tempolimit auf Innerortsstraßen
Die bisherige Begrenzung auf 50 km/h in geschlossenen Ortschaften verschärften tausende von Gemeinden ganz oder teilweise auf 30 km/h. Untersuchungen des Umweltbundesamtes zeigen, dass eine solche Reduktion die Umwelt- und Schadstoffbelastung drastisch reduziert. Anwohner:innen geben in Befragungen an, durch 30 km/h Zonen eine verringerte Lärmbelästigung und höhere Lebensqualität wahrzunehmen.
Untersuchungen zeigen zudem, dass sich der Verkehrsfluss bei 30 km/h gegenüber 50 km/h deutlich verbessert. In der Folge sinkt auch die Zahl der Unfälle. Außerdem bieten sich zusätzliche Möglichkeiten, um Fußgänger und Radverkehr zu fördern, sobald der Kraftverkehr durch ein Tempolimit “gebremst” wurde.
Trotz dieser Argumente für ein Tempolimit innerorts sind die Forderungen nach einer deutschlandweiten Lösung eher verhalten. Beim Thema Tempolimit wird fast ausschließlich über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn diskutiert. Das könnte unter anderem daran liegen, dass die Gemeinden selbstständig und vergleichsweise unkompliziert 30 km/h-Zonen einrichten können. Von dieser Möglichkeit machen diese bereits umfassend Gebrauch.
Welche Auswirkungen hätte ein Tempolimit auf den Verkehrsfluss?
Ein Tempolimit, das der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn von 130 km/h entspricht, hätte einen positiven Effekt auf den Verkehrsfluss. Das mag auf den ersten Blick schwer zu verstehen sein, da man annehmen könnte “schneller fahren = weniger Stau”. In der Realität entwickelt sich der Straßenverkehr aber deutlich komplexer!
Der Verkehrsfluss ist umso besser – das heißt mit weniger Stau – je gleichmäßiger er sich fortbewegt. Hohe Geschwindigkeiten behindern jedoch diese Gleichmäßigkeit! Es kommt zu vermehrten Spurwechseln und Bremsvorgängen, wenn schnellere Fahrzeuge auf Langsamere treffen.
Solche scheinbar minimalen Verzögerungen führen zu Kettenreaktionen, die letztlich sogar einen Stau auf völlig freier Strecke verursachen können. Ein gleichmäßiger, auf 130 km/h begrenzter Verkehrsfluss würde solche Fälle deutlich reduzieren.
Ist die Strecke hingegen völlig frei, würde ein Tempolimit tatsächlich mehr schaden als nutzen. Hier gilt: je schneller wir uns über die freie Autobahn bewegen, desto schneller sind wir am Ziel. Da es allerdings nur sehr selten völlig freie Streckenabschnitte gibt, ist dieser Effekt weniger wichtig als landläufig angenommen.
Gäbe es mit Tempolimit weniger Unfälle?
Die Auswirkungen eines Tempolimits auf die Unfallzahlen lassen sich nicht generell feststellen. Hier muss differenziert, je nach Straßentyp, analysiert werden: Ein Tempolimit auf Autobahnen scheint nur minimalen Einfluss auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden zu haben.
Auf den weit gefährlicheren Landstraßen sowie innerorts ist eine Reduktion auf 80 beziehungsweise 30 km/h jedoch aus Sicht der Verkehrssicherheit sinnvoll: Beide Maßnahmen könnten die Unfallgefahr reduzieren und insbesondere Todesfolgen verringern.
Weniger Spritverbrauch durch ein Tempolimit?
Bei höheren Geschwindigkeiten erhöht sich der Luftwiderstand eines Fahrzeugs und in der Folge der Kraftstoffverbrauch. Umweltbewusstes Fahren fokussiert sich hingegen auf die Einsparung von Treibstoff zum Wohle der Umwelt und unseres Geldbeutels.
Tatsächlich würde ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts den Spritverbrauch erheblich senken: Verschiedene Berechnungen gehen von Mengen zwischen 2,1 und 3,7 Milliarden Liter pro Jahr aus. Zur Verdeutlichung: 2,1 Milliarden Liter entspricht etwa 3,8 Prozent des gesamten Verbrauchs der BRD. Interessant auch. Durch diese Maßnahme ließen sich also bis zu 7 Prozent der russischen Öl-Importe einsparen.
Tempolimit: Hilft es dabei, das Klima zu retten?
Eine der einfachsten Antworten auf die Frage “was bringt ein Tempolimit?” ist: Klimaschutz! Denn bereits ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen wäre eine erhebliche Hilfe für unsere Umwelt. Etwa 1,5 Millionen Tonnen Treibhausgase ließen sich in diesem Fall pro Jahr einsparen, so eine Studie des Umweltbundesamtes. Zum Vergleich: die größte Filteranlage der Welt in Island kann jährlich 4.000 Tonnen CO₂ aus der Luft entziehen. Eine einfache und günstige Maßnahme wie das Tempolimit wäre damit 375-mal effektiver als diese teure Anlage.
Hinzu kommen erhebliche Reduktionen von Feinstaub und Mikroplastik. Diese entstehen durch den Reifenabrieb vor allem in Kurven und gelten als besonders gefährlich: Diese Abfallprodukte sind bis zu 1.000 Mal schädlicher als “normale” Autoabgase! Geringere Geschwindigkeiten führen zu einem deutlich reduzierten Ausstoß von abgeriebenem Reifenmaterial.
Mikroplastik-Partikel finden sich heute sogar schon in den Körpern von Neugeborenen und stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Anders als CO₂, Rußpartikel und Co. wird ihr Ausstoß nicht durch die Schadstoffklasse eines Fahrzeugs angegeben. Daher fällt dies meist unter den Tisch.
Bei einer Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn von 120 km/h würde sich die CO₂-Einsparung sogar auf 2 Millionen Tonnen pro Jahr erhöhen. Und mit einem Tempolimit von 100 km/h wäre eine Produktion von 4,3 Millionen Tonnen weniger möglich. Diese Angaben gehen jeweils von einer realistischen Einhaltung aus, das heißt: Die Berechnungen erfolgten unter der Annahme, dass zahlreiche Autofahrende die erlaubte Geschwindigkeit nicht überschreiten würden.
Das Tempolimit wäre damit eine weitere Maßnahme auf dem Weg zu geringeren Umweltschäden durch den Straßenverkehr. Es würde damit bestehende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Feinstaubplaketten, sinnvoll ergänzen.
Verhindert ein Tempolimit nicht, dass ich schneller ans Ziel komme?
Oft wird gegen ein Tempolimit in Deutschland damit argumentiert, dass dieses die Reisezeit generell verlängern würde. Tatsächlich gibt es dafür jedoch keine wissenschaftlichen Beweise. Denn für die Fortbewegungsgeschwindigkeit ist der Verkehrsfluss deutlich wichtiger als die individuelle Höchstgeschwindigkeit.
Durch ein Tempolimit reduziert sich die Verkehrsgeschwindigkeit und es kommt zu einer gleichmäßigeren Fortbewegung der Verkehrsteilnehmer:innen. Staus, zähfließender Verkehr und Co. treten in der Folge seltener auf. Damit gelangt man im Durchschnitt schneller ans ersehnte Ziel.
Nur bei freien Strecken, ohne andere Verkehrsteilnehmende, ist die Höchstgeschwindigkeit wirklich von Belang. Aus diesem Grund fordern verschiedene Expert:innen zum Beispiel ein höheres Tempolimit in der Nacht. Da die Autobahnen hier öfter leer sind und damit keine Staugefahr droht.
Und wie sieht es mit der persönlichen Freiheit aus?
Für viele Menschen ist das schnelle Autofahren Hobby, Nervenkitzel und ein Ausdruck von Freiheit. Gegenargumente, wie, dass man hierfür eine Rennstrecke besuchen könnte, gehen an der Realität vorbei. Ein allgemeines Tempolimit wäre also zweifellos eine Form von Einschränkung für diesen Personenkreis.
Persönliche Freiheiten reichen jedoch stets nur so weit, bis sie die Rechte und Freiheiten anderer Personen berühren. Auf diesem Grundsatz basieren viele Regeln in unserer Gesellschaft. Verschiedene Expert:innen und Verbände fordern die Einschränkung der Freiheit schnell zu fahren, um die Rechte anderer Personen zu schützen. Dazu zählt der Wunsch nach intakter Lebensgrundlage oder etwa die Verringerung der Abhängigkeit von russischen Kraftstoffen.
Ob ein Tempolimit als Einschränkung der eigenen Freiheit wahrgenommen wird, ist eine persönliche Meinung. Auch die Frage, ob diese Einschränkung aufgrund der aktuellen Umstände gerechtfertigt ist, kann nur jeder Autofahrende selbst beantworten.
Kann ein Tempolimit die Konzentrationsfähigkeit senken?
Die Konzentrationsfähigkeit der Fahrenden wird immer wieder als Argument gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn verwendet. Langsames Fahren, so die Behauptung, würde weniger Adrenalin erzeugen und so zu verringerter Aufmerksamkeit und letztlich höherer Unfallgefahr führen.
Tatsächlich gibt es für diese Behauptung jedoch keine belastbaren Beweise. Die höhere Konzentration, die bei schnellem Fahren zweifellos nötig ist, lässt sich von unserem Gehirn nicht langfristig aufrechterhalten. Ein solcher Adrenalinausstoß führt zu Müdigkeit und damit ebenfalls zu Gefahren.
Einige Autofahrende empfinden jedoch Autobahnfahrten bei mäßiger Geschwindigkeit als besonders ermüdend. Hier zeigen sich die Unterschiede zwischen einzelnen Menschen: Während Person A das “Cruisen” bei 100 km/h als positiv empfindet, ist Person B vom langsamen Tempo genervt.
Umgekehrt kann die Person, die ein langsames Tempo bevorzugt, auf Autobahnen ohne Tempolimit unter starken Stress geraten. Es ist daher schwierig, Konzentrationsprobleme als generellen Nachteil eines Tempolimits zu identifizieren.
Tempolimit – welche Auswirkungen hätte es auf die deutsche Autoindustrie?
Bereits zur Einführung der CO₂-Steuer erwartete man große Probleme für die deutschen Autohersteller:innen. Immerhin sind diese besonders für ihre großen, schweren und leistungsstarken Modelle bekannt. Spürbare Folgen gab es jedoch entgegen den Erwartungen keine.
Auch die Einführung eines Tempolimits dürfte, nach Meinung von Expert:innen, kaum Auswirkung auf das Kaufverhalten der Deutschen haben. Einige Fahrerinnen und Fahrer könnten in der Folge auf günstigere, weniger stark motorisierte Modelle ausweichen und dadurch Umsatzeinbußen verursachen. Es würde sich dabei jedoch eher um eine Randerscheinung handeln.
Fazit
Ein Tempolimit scheint überwiegend Vorteile mit sich zu bringen. Als einziges europäisches Land ohne Tempolimit ist Deutschland mit seiner stetigen Verweigerung dadurch längst zum Außenseiter geworden.
Dennoch ist anzumerken, dass ein allgemeines Tempolimit nicht die Lösung für sämtliche Probleme ist, wie oft dargestellt. Die viel beschworenen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit auf Autobahnen lässt sich beispielsweise nicht nachweisen.
Auch ein verbesserter Verkehrsfluss durch das Tempolimit ist in vielen Situationen nicht automatisch gegeben. Zum Beispiel nachts bei freier Strecke – besonders nachts. Für Autobahnen scheinen daher sogenannte Wechselverkehrszeichen, die in Abhängigkeit vom Wetter und dem Verkehrsaufkommen geändert werden können, ideal.
Die Vorzüge für den Klimaschutz (Kraftstoffeinsparung) sind hingegen nicht von der Hand zu weisen. Besonders ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen würde außerdem helfen, diese besonders gefährlichen Strecken sicherer zu gestalten.
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