Gaffen bei Unfällen: Strafen und richtiges Verhalten im Ernstfall
Das Leid anderer aus reiner Neugierde oder Sensationslust zu beobachten, ist milde ausgedrückt verwerflich! Von den moralischen Aspekten abgesehen, behindern Gaffende auch die Einsatz- und Rettungskräfte vor Ort. Kein Wunder also, dass die Gerichte mittlerweile hart durchgreifen und es fürs Gaffen Strafen gibt. Und zwar zum Teil sehr empfindliche! Wie hoch diese ausfallen und wie du dich im Ernstfall richtig verhältst, erfährst du hier.
Gaffen wird mit einer Strafe geahndet – aber was ist ein:e Gaffer:in?
Bist du, wenn du einen Unfall siehst und extra langsam vorüberfährst, schon Gaffer:in? Möglicherweise ja!
Denn wer einem solchen Ereignis aufdringlich als neugieriger und untätiger Zuschauer beiwohnt, ist mehr als ein Schaulustiger. Schlimmer noch, wenn du auch noch Fotos oder Videos vom Unfall machst. Und damit direkt oder indirekt Rettungskräfte behinderst.
Gaffen ist gefährlich – für alle
Mittlerweile werden die Rettungs- und Aufräumarbeiten bei rund 75 Prozent aller Verkehrsunfälle durch neugierige Zuschauer massiv behindert. Dies belegt eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen.
„Ich hab’ doch nichts Schlimmes gemacht – man wird doch wohl mal gucken dürfen …“ – Ein Satz, den Rettungs- und Einsatzkräfte immer wieder zu hören bekommen. Dabei scheint diesen Menschen überhaupt nicht bewusst zu sein, wie gefährlich ihr Verhalten ist. Zum einen natürlich für die Unfallopfer. Denn sind Feuerwehr und Notarzt nicht rechtzeitig vor Ort, kann es bereits zu spät sein.
Siehe hierzu übrigens auch unseren Beitrag „Europäischer Unfallbericht„.
Gaffende behindern Rettungskräfte
Zum anderen aber werden auch die Rettungskräfte selbst gefährdet und extrem behindert. Bei einem Unfall versammeln sich oft Schaulustige, die den Sanitätern bei ihrer Arbeit zuschauen wollen. Viele dieser Gaffende stellen sich dann – mit oder ohne Absicht – in den Weg. Schaulustige Autofahrer verlangsamen ihre Fahrt und versperren auch noch oft die Rettungsgasse. Der Notdienst, die Polizei und Bergungsfahrzeuge haben es dann erst recht schwer, vorwärtszukommen. Bildet sich dadurch ein Stau, erhöht sich damit auch die Unfallgefahr für den Krankenwagen und Co.
Was oft vergessen wird: Gaffer:innen gefährden sich letztendlich auch selbst. Durch langsames Fahren oder Aussteigen aus dem Fahrzeug kommt es in der Konsequenz häufiger zu Auffahrunfällen.
Was motiviert Schaulustige zum Gaffen?
Gerade in Zeiten des Smartphones „verstecken“ sich viele regelrecht hinter ihrem Handy und filmen oder fotografieren drauflos. Das Fatale: Landen die Bilder in sozialen Netzwerken, erhalten diese Leute oft auch noch jede Menge Likes zur „Belohnung“.
Polizei und andere Rettungskräfte stellen zudem immer öfter fest, dass Schaulustige ihnen gegenüber aggressiv werden. Da werden durchaus schon mal ein Sanitäter bedroht, wenn sie Gaffenden vor dem Smartphone stehen. Nur weil diese dadurch nicht das super Bild für ihren Social Media Account schießen können. Die gesetzlich verankerten Persönlichkeitsrechte der Opfer und der Einsatzkräfte scheinen keine Rolle zu spielen.
Warum Gaffende filmen, anstatt zu helfen
Dieses Verhalten liegt laut ADAC möglicherweise daran, dass vielen Gaffenden ein Bewusstsein für die reale Situation fehlt. Sie erkennen nicht, dass auch sie eine Verantwortung für Menschen in Not übernehmen müssen.
Auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) bestimmt in § 34 ganz klar: Jede Person, die einen Unfall sieht, ist verpflichtet, die erforderliche und zumutbare Hilfe zu leisten. Nichts tun oder einfach nur dazustehen und seine Schaulust zu befriedigen, ist als unterlassene Hilfeleistung zu werten.
Tipp: Alles zum Straßenverkehrsgesetz findest du hier.
Gaffen – diese Strafe droht
Bereits seit 2019 gibt es ein Gesetz gegen Gaffende, das harte Strafen für untätiges und behinderndes Herumstehen vorsieht. Das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers kann je nach konkreter Situation als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit gewertet werden:
- Fotografieren oder filmen verunglückter Autos oder Unfallopfer: In diesem Fall sieht das Strafgesetzbuch (StGB) bis zu zwei Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe vor. Es ist egal, ob ein:e Gaffer:in das Bildmaterial nur für seine oder ihre eigene „Belustigung“ macht. Oder ob sie oder er es veröffentlichen und weitergeben. Polizist:innenhaben übrigens das Recht, ein Smartphone direkt vor Ort zu konfiszieren.
- Behinderung von Einsatzkräfte durch widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge: Hier werden laut Bußgeldkatalog 20 bis 25 Euro Strafe fällig.
- Nichtbeachtung der Anordnungen von Einsatzkräften: Weigern sich Gaffende, den Unfallort zu räumen und weiterzufahren, begehen sie damit eine Ordnungswidrigkeit. Kommen sie auch einer mehrmaligen Aufforderung nicht nach? Dann drohen ihnen ein Bußgeld von 20 bis 5.000 Euro, je nach Bundesland.
- Unterlassene Hilfeleistung: Hier ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer hohen Geldstrafe zu rechnen.
Hinweis: Weitere Informationen zum Thema findest du in unserem Beitrag zum Bußgeldkatalog 2022.
Gaffen und die Strafe dafür: Das kannst du gegen Gaffende tun!
Gaffende gefährden uns alle! Darum sollte jeder in einer entsprechenden Notsituation helfen, anstatt zu starren.
Auch wenn du Gaffende bemerkst, kannst du etwas tun:
- Offensichtliche Gaffende-Posts auf Social Media sofort melden. Auf keinen Fall darauf reagieren, erstrecht nicht liken!
- Teilen Bekannte solche Videos oder Bilder, kannst du sie bitten, den Beitrag zu löschen. Oft hilft ein Hinweis auf die hohen Strafen für Gaffende.
- Kommt es zum Stau auf der Autobahn, halte unbedingt eine Rettungsgasse frei. Halten sich andere nicht daran, mach’ sie gegebenenfalls mit deutlichen Gesten auf ihre Pflicht aufmerksam. Bleibe dabei aber immer höflich – auch wenn dich das rücksichtslose Verhalten ärgert.
Es gibt übrigens spezielle Aufkleber fürs Auto. Mit diesen gibst du dich als jemand zu erkennen, der IMMER eine Rettungsgasse bildet. Oft motiviert dies auch andere, dasselbe zu tun.
Statt Gaffen und Strafe – so verhält man sich bei einem Unfall richtig
Ereignet sich ein Unfall, bist du verpflichtet zu helfen. Wie du als Zeug:in oder auch als Beteiligte:r richtig handelst, erklären wir hier:
- Als erstes legst du deine Warnweste an und sicherst die Unfallstelle mit einem Warndreieck ab.
- Dann wählst du den Notruf unter 112 an. Hier erklärst du genau, was wo passiert ist, wer verletzt ist und wie dein Name lautet.
- Danach musst du dich um die möglichen Verletzten kümmern und so gut es geht erste Hilfe leisten.
- Entferne dich auf keinen Fall vom Unfallort, sondern warte auf die Polizei und den Rettungsdienst.
- Deren Anweisungen musst du unbedingt folgen!
- Siehst du als unbeteiligte Person einen Unfall und es wird bereits Hilfe geleistet: Dann fährst du am besten zügig an der Unfallstelle vorbei. Nicht anhalten und glotzen!
Tipp: Lies zum Thema Verhalten bei einem Unfall auch unseren Artikel „Auffahrunfall: Was tun?„
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