Erste Hilfe leisten beim Autounfall – So reagierst du richtig
Es geschieht oft im Bruchteil einer Sekunde: Zwei Autos kollidieren oder ein Fahrzeug kommt von der Spur ab. Etwa 324.000 Personen sind laut destatis 2021 bei Verkehrsunfällen in Deutschland verunglückt. Dabei muss es dich nicht unbedingt selbst treffen – vielleicht bist du auch die erste Person am Unfallort. Wie aber solltest du dann am besten reagieren?
Autounfall: Bist du verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten?
Du wirst Zeug:in eines Verkehrsunfalls mit Personenschaden und fragst dich, ob du verpflichtet bist, Erste Hilfe zu leisten? Du kennst dich medizinisch nicht aus, bist spät dran und sicher, dass andere besser Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten können? Trotzdem darfst du nicht einfach weiterfahren. Denn vor dem Gesetz sind das alles keine Argumente.
Verletzten in einer Notlage nicht zu helfen, ist kein Kavaliersdelikt. Es ist auch mehr als ein bloßer Verstoß nach dem Bußgeldkatalog. Vielmehr ist die so genannte unterlassene Hilfeleistung ein Straftatbestand gemäß §323c Strafgesetzbuch. Die möglichen Sanktionen reichen von einer reinen Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Eine Notlage besteht immer dann, wenn die Gesundheit einer Person möglicherweise gefährdet ist – wie beispielsweise nach einem Verkehrsunfall.
Die Rettungskette: Erste-Hilfe-Maßnahmen im Überblick
Bei einem Unfall ist es also wichtig, schnell zu handeln. Doch welche ist die richtige Erste-Hilfe-Reihenfolge nach einem Verkehrsunfall? Vielleicht erinnerst du dich nicht mehr an alle Einzelheiten des Ersten-Hilfe-Kurses für den Führerschein. Das ist noch lange kein Grund zur Sorge. Auch ohne spezifische Kenntnisse kannst du helfen, wenn du beispielsweise nach einem schweren Auffahrunfall als erste Person an der Unfallstelle eintriffst:
- Sofern du keine Personen aus dem Wagen bergen musst, beginnt alles mit deinem Smartphone. Einfach die 112 gewählt, setzt du die Rettungskette für die Erste Hilfe bereits in Gang – und das kann lebenswichtig sein. Unter dieser Kurzwahl erreichst du nicht nur die Feuerwehr, sondern auch den zuständigen Rettungsdienst. Da es sich hierbei um eine europaweite Notrufnummer handelt, kannst du auch bei einem Unfall im Ausland ganz einfach die drei Ziffern eingeben.
- Fragen beantworten: Je mehr du dem Rettungsdienst mitteilen kannst, desto besser. Dabei ist der Standort die wichtigste Information. Suche dazu im Ort das nächste Straßenschild, auf dem Land einen spezifischen Punkt oder auf Autobahnen die ausgeschilderten Kilometeranzeigen. So kannst du die Sanitäter:innen gezielt zur richtigen Stelle lenken.
- Ist das Gespräch beendet und professionelle Hilfe unterwegs, sicherst du die Unfallstelle ab und begibst dich zu den Verletzten.
- Musst du keine lebensrettenden Sofortmaßnahmen einleiten, reicht es oft aus, die Betroffenen mit Worten zu beruhigen. Wärme sie gegebenenfalls mit deiner Jacke oder der Rettungsdecke. Eine solche Decke ist ein zentraler Bestandteil des Erste-Hilfe-Kastens. Dementsprechend ist es wichtig, immer einen vollständigen Erste Hilfe Kasten im Auto zu haben. Lies dazu gerne unseren Artikel: „Erste Hilfe Kasten fürs Auto – Was muss drin sein?„
- Versuche parallel, andere Vorbeifahrende auf die Situation aufmerksam zu machen. Verzichte aber auf lange Gespräche. Auch wenn du siehst, dass der oder die Unfallverursacher:in Fahrerflucht begeht, ist es nicht deine Aufgabe, ihn oder sie daran zu hindern. Erste Hilfe zu leisten hat eindeutig Priorität.
Ist dir das jetzt zu viel auf einmal, merke dir einfach die folgenden vier Schritte. Oder noch einfacher: Sei ein H-E-L-D (beziehungsweise eine Heldin). Die vier Buchstaben erinnern dich daran, was du in einer Notsituation in welcher Reihenfolge tun musst:
- „H“ steht für „Hilfe rufen“
- „E“ erinnert dich daran, Verletzte zu „ermutigen und zu beruhigen“
- „L“ steht für lebenswichtige Maßnahmen (auch ohne Medizinkenntnisse siehst du, ob die verletzte Person atmet).
- „D“ – eine „Decke um die Verletzten legen“ mithilfe deines Verbandskasten aus dem Auto, ist der vorerst letzte Schritt bis zum Eintreffen der Rettungskräfte.
Hinweis: Deine Decke ist neu, die verletzte Person blutet? Du hast eine Sportverletzung und Sorge vorm Hinknien? Leistest du Erste Hilfe, bist du automatisch gegen körperliche Folgeschäden versichert. Aber auch bei Sachschäden hast du Anspruch auf eine Entschädigung.
So leistest du richtig Erste Hilfe nach einem Verkehrsunfall
Je mehr Erste Hilfe du bei einem Unfall leisten kannst, desto besser. Gehen wir also ins Detail:
Bewerte die Situation
Verschaffe dir einen Überblick. Dabei ist unerheblich, ob du den Unfall beobachtet hast oder erst später am Ort des Geschehens eingetroffen bist. Zähle die beteiligten Kraftfahrzeuge und die Verletzten, bitte andere unbeteiligte Verkehrsteilnehmende, dich bei deinen Erste-Hilfe-Maßnahmen zu unterstützen.
Sorge für eine sichere Umgebung
Ohne Absicherung der Unfallstelle riskierst du einen weiteren Unfall, da ankommende Autos eventuell nicht rechtzeitig abbremsen können. Bist du im Auto unterwegs, dann halte an und schalte die Warnblinkanlage ein. Zieh dir anschließend eine Warnweste an und stelle das Warndreieck im erforderlichen Abstand auf:
- in Ortschaften 50 Meter
- auf Landstraßen, Schnellstraßen 100 Meter
- auf Autobahnen 200 bis 400 Meter
Berge verletzte Personen
Können sich Verletzte nicht aus eigener Kraft aus ihrem Unfallwagen befreien, musst Du sie bergen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Personen bewusstlos sind oder Benzin aus dem Wagen läuft. Öffne die Autotür, stelle den Motor ab, löse den Sicherheitsgurt und wende den so genannten Rettungsgriff an. Dazu
- führst du deine Hand hinter dem Rücken der verletzten Person entlang
- fasst fest an Gürtel oder Rocksaum,
- ziehst du den Oberkörper mit der anderen Hand zu dir hin und die verletzte Person mit beiden Armen aus dem Wagen.
Gehe langsam vor und halte den Kopf der Person stets in einer stabilen Position.
Rufe den Rettungsdienst
Jetzt ist es Zeit für den Anruf der 112. Drei Fragen wird dir die Notrufzentrale mit Sicherheit stellen:
- Wo befindet sich der Unfallort?
- Was hat zum Unfall geführt?
- Wie viele Personen sind wie (schwer-) verletzt?
- Warte auf weitere Nachfragen
Hinweis: Orientiere dich zur Standortbestimmung auf Autobahnen an Ausfahrten oder den unauffälligen, im 500-Meter-Abstand platzierten Kilometerschildern hinter der Leitplanke.
Rette Leben
Nach dem Gesprächsende kümmerst du dich wieder um die Verletzten. Priorisiere schwere Fälle, bei denen du lebensrettende Sofortmaßnahmen einleiten musst. Dies betrifft zumeist
- die Wiederbelebung: ein Wechsel zwischen Mund-zu-Mund-Bearbeitung und rhythmischen Stößen auf den Brustkorb.
- die Stillung von Blutungen: das Anlegen eines Druckverbands. Streife dir dafür die Einmalhandschuhe aus deinem Erste-Hilfe-Kasten über.
Ist der oder die Verletzte nicht ansprechbar, bringe die Person in eine stabile Seitenlage. Sprich mit ihr, bis der Notarzt oder die Notärztin eintrifft: Selbst Bewusstlose können Umgebungsgeräusche aufnehmen. Nach dem Eintreffen des Rettungsdienstes wird die Polizei deine Aussage und deine Kontaktdaten für spätere Nachfragen aufnehmen.
Tipp: Deine Kenntnisse zur stabilen Seitenlage oder Wiederbeatmung kannst du jederzeit freiwillig in einem Erste-Hilfe-Kurs verschiedener Hilfsorganisationen auffrischen. Die Kosten hierfür liegen zwischen 20 und 60 Euro.
Weitere nützliche Informationen zum Thema Verkehrssicherheit findest du auch in unseren anderen Beiträgen:
- Auffahrunfall: Was tun?
- Grob fahrlässig
- Selbstverschuldeter Unfall
- Handy am Steuer
- Auto angefahren
- Unfallgegner/Unfallgegnerin
- Unfallverursacher meldet Schaden nicht
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